Kap der Angst

USA (Capefear) Regie Martin Scorsese

Von Günter H. Jekubzik

Nach dem vielbesprochenen Roman "The Executioners" von John D. MacDonald drehte J. Lee Thompson vor dreißig Jahren den Thriller "Cape Fear". Jetzt nahm sich Martin Scorsese, der Regisseur von Kultfilmen wie "Taxi driver" und "Wie ein wilder Stier", des Stoffes an. In "Kap der Angst" der siebten Zusammenarbeit mit Robert DeNiro entstand ein spannender und schockierender Film, der sich genüßlich an den gestalterischen Möglichkeiten des Erzählkinos weidet.

Max Cady (DeNiro) ist ein zwiespältiger Typ: Er zitiert aus Dantes "Inferno" und nimmt es bezüglich des juristischen Fachwissens mit einem Anwalt auf. Cadys Körper ist bedeckt mit Tätowierungen und Texten wie "Die Rache ist mein", er besiegt mit unglaublicher Zähigkeit drei schwerbewaffnete Schläger. Ob Max Cady vor vierzehn Jahren ein junges Mädchen vergewaltigte, bleibt unbeantwortet. Sicher ist, daß sich der gerissene Gewaltmensch nach der verbüßten Haftstrafe bei seinem damaligen Verteidiger rächen will. Sam Bowden (Nick Nolte) unterschlug nämlich entlastendes Material.

Mit der an Wahnsinn grenzenden Intelligenz eines Hannibal Lector aus "Das Schweigen der Lämmer" findet Max Cady die empfindlichsten Stellen seines Opfers und verzögert dann - zur Freude unseres Nervenkitzels - den Stoß. Erst stirbt der geliebte Hund von Sams Frau Leigh (Jessica Lange). Die Tochter Danielle (Juliette Lewis) wird durch Max mit erotischer Literatur in Versuchung geführt. Die Verteidigungen des Familienvaters scheitern immer glorreicher und machen ihn nur noch verletztlicher, während Max Cady, Nitzsche zitierend, zu einem schrecklichen Übermenschen emporwächst. Am Anfang wurde Sam Bowden noch gelobt: "Du weißt, wie man kämpft". Aber er muß einen langen Weg gehen, bis er zum letzten Kampf bereit sein wird.

Früh zeigt sich, daß auch Scorsese in "Kap der Angst" keine filmischen Mittel scheut: Als Cady das Gefängnis verläßt, bedeutet ein einkopierter, düsterer Gewitterhimmel Unheil im Cinemascope-Format. Die Schläge beim Squash-Spiel zielen direkt in die Kamera und auch die Tonspur ist für Schreckmomente gut. Spätestens nach einem kannibalischen Gewaltverbrechen werden Ängstliche das Kino verlassen haben. Die wachsende Brutalität - auf inhaltlicher und ästhetischer Ebene - ist jedoch kein Selbstzweck, sondern Thema von "Kap der Angst". Wenn Sam Bowden schließlich im Urschlamm stehend einen schweren Stein über seinen Kopf stemmt, ist auch der Bezug zu Kubricks Affen klar, der in "2001" Mensch wurde, als er das Werkzeug Knochen zum Mordinstrument machte.

Neben Robert DeNiro, dem Chamäleon der US-Stars, spielt sich die junge Juliette Lewis besonders hervor. Robert Mitchum, der im 1962er "Cape Fear" die Rolle DeNiros hatte, ist ebenso mit einem Kurzauftritt vertreten, wie Gregory Peck, der damals das Opfer Sam Bowden mimte. Die wirkungsvollste Übernahme gelang Elmer Bernstein mit der gewaltigen Musik des Klassikers Bernard Herrmann. Posaunenklänge begleiten den Zusammenbruch der schützenden Gesellschaftsstrukturen in diesem eindrucksvollen Strudel der Angst.


Eine Kritik vonGünter H.Jekubzik

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