Johanna von Orleans

Fr 1999 (Joan of Arc) Regie Luc Besson, 165 Min.

Die Jugend

Jeanne als Mädchen ist eine inszenatorisch eindrucksvolle, aber eine inhaltlich nicht überraschende Variante der vielen Geschichten um die französische Nationalheldin Jeanne d'Arc. Als 17-Jährige erhält das Bauernmädchen vom französischen Thronanwärter Charles VII eine Armee und befreit "im Auftrag Gottes" im Mai 1429 die von Engländern belagerte Stadt Orleans. Schnell wird bei Besson klar, auch diese Johanna ist ein außergewöhnliches Mädchen: Zwei bis drei mal am Tag geht sie zur Beichte, stellt "ihren" Priester mit religiösen Fragen spitzfindig auf Probe. Im Hundertjährigen Krieg zwischen englischen Besatzern, Burgundern und den königstreuen Franzosen wird das Mädchen bei einem brutalen Überfall auf ihr Dorf Zeugin von Vergewaltigung, Mord und Leichenschändung. Grausame Visionen von Jesus im Lilienhemd erteilen ihr einen Auftrag.

Es ist die übliche Heldenkindheit mit dem notwendigen Trauma: Schuldgefühle als Überlebende und die Zweifel an Gottes Wegen. Johannas religiöser Fanatismus wird überdeutlich dar-, ja sogar bloßgestellt. Ganz anders als es Jacques Rivette mit der reiferen Sandrine Bonnaire als "Johanna, die Jungfrau" machte. Diese völlig natürliche Johanna staunte still, nahm die Wunder und die Aufgabe ohne viel Aufsehen an. Besson macht es betont mysteriös, inszeniert kleine Wunder gewaltig mit Science-Fiction-Sound: Im grandiosen Bildrausch findet Johanna neben sich im Korn ein Schwert - wie einen Geliebten. Dann erinnert die Meute hetzender Hunde an Tarkowskijs "Andrej Rubljow".

Die Schlacht

Mit blonden Strähnen und glänzender Rüstung sieht Johanna zu Pferde und in Rage vor allem gut aus. Die schwache, sich überschlagende Stimme braucht niemanden zum Sieg zu treiben. Jeanne gewinnt mit der Simplizität des Glaubens. Milla Jovovich, das "Fünfte Element" Bessons, setzt in der Hauptrolle eine Tradition junger Darstellerinnen für diesen Part fort: Jean Seberg wirkte unter Otto Preminger als "Die heilige Johanna" ebenso klein und schwach.

Die gewaltige Produktion mit bekannten französischen und amerikanischen Schauspielern und der eindringlichen Musik von Eric Serra wirbt vor allem mit diesen Kampfszenen für sich. In der Reihe nationaler Schlachtplatten wie Kenneth Branaghs "Henry" fällt das Gemetzel jedoch zurückhaltend aus, die Person Johannas bleibt im Mittelpunkt, fragt zweifelnd: Das ist Glorie?

Der Prozeß

Es folgt die Zeit der Gefangenschaft und Folter, die unweigerlich mit der Hinrichtung enden wird - eine grausame, ausweglose Situation für alle Autoren. Schon die Krönung nahm das Tempo aus dem Film. Johannas Haare werden schwarz, sie verzweifelt an der unübersehbaren Gewalt. Nach der Wende, der Niederlage vor Paris, dem Verrat des Königs, kommt der Film zu seinen besten Szenen: Die Auserwählte hört keine Stimmen mehr bis eine geheimnisvolle Vision in verschiedenen Gesichtern (u.a. mit dem Dustin Hoffmans) auftritt. Es entwickelt sich eine spannende, für Johanna quälende, Diskussion über ihren Auftrag. Diese Zwiesprache mit dem teuflischen Ankläger wird zur knallharten Selbstanalyse der Heldin. Derweil bringt die unheilige Allianz aus Kirche und britischem König die üblichen Gründe ins Bild, die Kirchensteuer zu kündigen. Im Alter von 19 Jahren wird Jeanne hingerichtet, obwohl sie vorher auf alle Forderungen der Kirche einging.

"Johanna von Orleans" bringt eine eindrucksvolle und vor allem im letzten Teil packend neue Variante der französischen Heiligengeschichte. Luc Besson ("Subway", "Im Rausch der Tiefe", "Nikita", "Atlantis", "Leon der Profi", "Das Fünfte Element") erfüllt alle Hoffnungen an großes Kino. Ko-Autor Andrew Birkin (als britischer Feldherr Talbot auch im Film zu sehen) schrieb schon "Der Name der Rose", inszenierte selbst "Der Zementgarten", "Salz auf unserer Haut" und "Brennendes Geheimnis". Bei den Darstellern überzeugt John Malkovich als melancholisch philosophierender Dauphin Charles VII wieder mal mit wenig sichtbarem Aufwand. Faye Dunaway ist die pragmatische Schwiegermutter und sie steht zu einem beißend alten Gesicht. Tchéky Karyo übernimmt als rauer Feldherr den komischen Part.

http://www.johanna-von-orleans.de


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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