Heimat 3 - die TV-Legende kehrt heim

Von Günter H. Jekubzik

"Heimat" bezeichnet nicht mehr einen Ort, sondern eine Zeit. (Edgar Reitz)

Vor zwanzig Jahren fesselte das Dorf-Epos "Heimat" die Menschen an den Fernsehapparaten und lockte sie damit auf den Hunsrück, ein bis dahin vergessener Landstrich. Touristen aus aller Welt suchten das fiktive Dorf Schabbach, die Schmiede der Simons und andere Schauplätze eines Meilensteins der TV-Unterhaltung. Die "deutsche Chronik", wie es im Untertitel des Films von Edgar Reitz hieß, berührte mit seiner Rückbesinnung auf dörfliche Wurzeln eine tiefe Sehnsucht des Publikums. Am Donnerstag ist "Heimat 3" in wenigen Kinos zu sehen, bevor eine gekürzte Fassung ab Dezember bei der ARD läuft.

Nach den Geschichten von Krieg und Wiederaufbau, die Maria Simon von 1919 bis 1982 mit ihren Söhnen in "Heimat" durchlebte, verabschiedete sich "Die zweite Heimat - Die Chronik einer Jugend" mit dem jungen Protagonisten Hermann Simon (Henry Arnold) nach München. Die neue Familie unter Künstlern, Hermanns herzzerreißende Liebesgeschichte mit der Sängerin Clarissa fand nicht den Geschmack des großen Publikums. Die Quote fiel über die dreizehn Sendetermine. Obwohl der Film international begeistert aufgenommen und verkauft wurde, bekam die ARD Angst vor zuviel Qualität und Regisseur Reitz musste vier Jahre lang um die Realisierung der Fortsetzung kämpfen.

Jetzt ist das 680-minütige Werk "Heimat 3 - Chronik einer Zeitenwende" vollendet. Beim Festivalstart in Venedig musste sich Reitz noch gegen Kritik wehren. Doch die Premiere in der Heimat im Örtchen Simmern genoss er gelöst am vergangenen Sonntag mit seinen Hunsrückern. Aber der 71-Jährige will nicht weitermachen, mit der "Heimat" jedenfalls. Seine Chroniken spannen sich jetzt von 1919 bis zum 31.12.1999. Die letzten sechs Folgen beginnen mit der Wiedervereinigung, der Deutschlands und der von Hermann und Clarissa. Im Trubel der Maueröffnung treffen sie sich in Berlin, die Liebe, die in den zeitintensiven Musikerkarrieren verloren ging, lebt erneut auf. Im hormonellen Überschwang kaufen sie eine Fachwerkhausruine am Rande der Hunsrück, das so genannte Günderrode-Haus bildet mit seinem atemberaubenden Blick auf den Rhein und die Loreley das Zentrum der neuen Heimat-Geschichten.

Neu ist vor allem der gesamtdeutsche Aspekt: Der Autor Reitz musste einige Auflagen der produzierenden Sender erfüllen. Dazu gehörte der Regisseur Thomas Brussig ("Sonnenallee") als Koautor für die Figuren aus dem Osten. Denn die euphorische Clarissa Lichtblau holt sich für die Restaurierung ihres Hauses Handwerker aus dem Osten. "Für zehn Mark die Stunde - West!" Deren Irrungen und Wirrungen stellen etwas schematisch Prototypen von Ostler-Karrieren dar. Brussigs Humor ist spürbar, aber nicht immer passen seine Ergänzungen zum vertrauten Stil von Edgar Reitz. Es gibt neue Lieben, alte Beziehungen zerbrechen. Aber auch Trennungen, Krankheiten und eine ganze Menge Sterben erschüttern die neuen Heimat-Folgen.

"Wir sind am schönsten Ort der Welt und können keine Ruhe finden" - so klagt Hermann und träumt von einer gemeinsamen Zukunft mit Clarissa im Stile von Philemon und Baucis. Vielleicht ist es einfach die Sehnsucht, die Reitz so meisterlich in akribisch authentischen Filmen einfängt: Die Sehnsucht nach einer verlorenen Heimat, in der man nicht wirklich leben kann. Und die Sehnsucht nach einer unerfüllten, ewigen Liebe.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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