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Harry außer sich

USA 1997 (Deconstructing Harry) Regie und Buch WoodyAllen, 95 Min.

Eine seeeeehr wütende Frau stürmt die Wohnung desSchriftstellers Harry Block (Woody Allen). Zwei Jahre nach dem Endeder Beziehung veröffentlichte der Autor Harry Geschichten, dieunübersehbar autobiographische Züge haben. Seine dreiEx-Frauen, die ehemaligen Freunde und selbst die nächstenVerwandten sind schockiert bis stinksauer. Denn Harry war allesandere als rücksichtsvoll: Ein Quickie mit der Schwester dereigenen Frau "unter den Augen" der blinden Großmutter wirdunter anderem ausgebreitet. Seinem orthodox jüdischen SchwagerBurt (Eric Bogosian) gab er den Titel "Jewish with a Vengence" inAnlehnung an den recht gewalttätigen Film "Die Hard with aVengeance" (Stirb Langsam - Jetzt erst recht). Nach der tollen Rollefür Mia Sorvino in "Geliebte Aphrodite" beweist Allen erneutseine Leidenschaft für Huren. Kein Wunder, daß ihn Lucy(Judy Davis) umbringen will: Harry ist atemberaubend zynisch, scherztüber den Holocaust und provoziert als Atheist dieReligiösen aller Vereine. Dazu ist er schreib-blockiert undsex-fixiert: Beim Psychiater fragt er sich, ob seine Besessenheit mitFrauen normal sein: Wolle der US-Präsident auch mit jeder Frauschlafen? "Schlechtes Beispiel" kommentiert Allen sich selber!

In den Geschichten, Nacherzählungen und Phantasien Harrystummeln sich ebenso viele Alter Egos wie Varianten seinerLebenspartner. Joan, die dritte Ex von Harry, taucht im Roman alsHelen auf, eine jüdisch strenggläubigen Psychiaterin. Joanwird von Kirstie Alley, Helen von Demi Moore gespielt. Irgendwanntreten die Figuren dann auch noch aus der Fiktion heraus, um Harry imrealen Leben zu kritisieren, zu beraten oder geistigen Beistand zuleisten.

Dazu erzählt Harry / Allen einige umwerfende Kurzgeschichten,wie die vom Schauspieler Mel (Robin Williams), der plötzlichunscharf bleibt - im realen Leben wohlgemerkt! Es gibt einen Ausflugin die Hölle, wo der Teufel Harry mit dem Gesicht seinesFreundes Larry (Billy Crystal) einen Drink mixt. Selbst eineKindesentführung gibt es, und auch Leiche. Im Verlauf derGeschichte(n) geht einiges durcheinander. Aber was wäre anderszu erwarten bei "Deconstructing Harry"? Der dekonstruktivistischeAllen bringt im Gegensatz zu den letzten Filmen, an denen sich eingroßes Publikum erfreuen konnte, wieder schwerere Kost.Vermutete man von "Bulletts over Broadway" (1994) bis zu "Alle sagen:I love you" (1996) noch eine zunehmende Altersnettigkeit, so beweistAllen nun auf radikale Weise seinen ungehemmten und unvergleichlichenBiß. Viele der genialen Scherze sind längst nicht mehrjugendfrei, andere fordern die Intellektualität reiferAkademiker.

Dabei überrascht die Form des Films erneut: Allen schneidetdie ersten Szenen auf Jazz-Musik - reinste Avantgarde! SiebzehnFiguren reichten nicht aus, um all die Stars unterzubringen, die beiAllen regelmäßig Schlange stehen. Demi Moore darf ihrebeste Rolle seit langem spielen und Elisabeth Shue wirkt wie man siekennt (wobei sich langsam die Frage stellt, ob sie auch etwas andereskann).

PS: Außer dem üblichen jährlichen Allen-Film gibtes 1998 auch noch einen Film über den Jazzmusiker Woody Allen:"Wild Man Blues" könnte im Juni in die Kinos kommen.


Eine Kritik von GünterH. Jekubzik

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