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Girl 6

USA 1996, Regie SpikeLee, 107 Min.

Spike Lee war schon nach "She's gotta have it", "Do the rightthing" und "Mo' better Blues" eine Legende des schwarzen Films undLegenden haben es immer schwer, gegenüber hohen Erwartungen zubestehen. Mit "Girl 6" nähert sich Lee einem heißen Thema,blickt hinter die Kulissen von Telefonsex - scheinbar. Denn wer hierEnthüllungen, Sensationen oder kämpferisches Engagementerwartet, wird enttäuscht. Weder tritt Lee für schwarzeFrauen ein, die in weiße Fantasien schlüpfen müssen,noch erzählt er eine spannende Story oder dokumentiert eineSchattenwelt.

Lange Zeit wundert man sich über das Ziel des Films, bis dasNaheliegende klar wird: Es geht in "Girl 6" um Girl 6, dieunentdeckte Schauspielerin, die nach einer Reihe von Scheißjobs(mit immer wieder anderen Perücken) an der heißen Strippedes Telefonsex landet. Hier zeigt sich schnell das geniale Talent vonGirl 6: Wie eine perfekte Schauspielerin schlüpft sie in allegewünschten Rollen, gibt - in witzigen Sequenzen - die harteDomina, das kichernde Schulmädchen und dieVerständnisvolle. Die Partner sind nur in Videoqualität zusehen - sind sie vielleicht die eigentlich Fantasierten? Doch hinterdem erfolgreichen Fantasie-Girl verbirgt sich eine einsame Frau. Nacheiner Erniedrigung durch einen aggressiven Mr. Snuff (!) stürztsich Girl 6 selbständig bis zum Selbstverlust in den Job ...

Es dauert eine Weile, bis sich die Persönlichkeit von Girl 6zu einem fesselnden Bild zusammenfindet, dann will man jedoch nichtmehr loslassen, von diesem nachhaltigen Spike Lee-Joint. Wenn er amEnde wieder ein Paar schweben läßt - Lee'sSpezialität aus "Jungle Fever" - und eine wunderbar surrealeSequenz inszeniert, ist ihm jeder stilistische Leerlauf verziehen.Prince - der den ganzen Soundtrack versorgte - singt dazu seineschönste Ballade: "Sometimes it snows in April".

Also kein Grund mit Spike zu hadern - oder wie es einniederländischer Kritiker sagte: mehr als ein Quickie von Spike,der auch filmen kann, wenn er nicht wütend ist!

Es fehlt noch der Hinweis auf die Insider-Scherze: Das weißeArschloch beim ersten Casting, das unbedingt einen "schwarzen Film"drehen will, gibt Quentin Tarantino. Der schwarze Baseballfan istSpike himself - und die Baseball (Dodgers) -Leidenschaft keineswegsgespielt. Die Traumszenen des Girl 6 kopieren und ehren bekannteschwarze Frauenrollen wie "Carmen Jones" oder "Foxy Brown". Starmodelund versuchte Schauspielerin Naomi Campbell trägt ein T-Shirtmit der Aufschrift "Models suck" ...

PS: An der deutschen Version nervt fast schonselbstverständlich der klägliche Versuch deutscherSynchronstimmen, "schwarz" zu klingen. Eine erbärmlicheVorstellung!

Zum Thema: Nicht nur der niederländische "06", auch "Derkalte Finger" ließen sich von der Erotik der Sex-Nummern zubanalen Filmchen verführen. Die beste Szene in der Hinsichtrealisierte Robert Altman in "Short Cuts": "Mein Höschen istganz feucht ..." lautet der Hinweis. Irgendwie spielt auch "Denisecalls up" in diese Reihe.


Eine Kritik von GünterH. Jekubzik

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