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Ganz normal verliebt

USA 1999 (The other sister) Regie Garry Marshall, 131 Min.

Juliette Lewis ist Carla Tate. Juliette Lewis leidet unter dem Rainman-Syndrom. Einer immer wieder sporadisch auftretenden Oscar-Beschaffungsmaßnahme für Schauspieler. Deshalb redet Carla langsam und ist "anders". Da man das ja auch Jahre nach "Political Correctness" nicht sagen darf, versuchen wir es mit "Carla ist besonders gefordert, normal zu sein." Und der Film ist extrem gefordert, eine ganz normal Verliebte als etwas Besonderes zu verkaufen.

Nach acht Jahren holt die Familie Tate, die wirklich alles Denkbare hat, ihre "andere Tochter" Carla aus einer speziellen Erziehungseinrichtung zurück nach Hause. Carla ist langsam, aber tierlieb also: der bessere Mensch. Die Mutter (Diane Keaton) ist eine Katastrophe. Voller Schuldgefühle erstickt sie das heimgekehrte, eigentlich volljährige Sorgenkind mit falschen Beschäftigungen, furchtbaren Klamotten und übertriebener Vorsicht. Doch mit ihrem Dickkopf schafft es Carla, eine Ausbildung, eine eigene Wohnung, freien Ausgang und schließlich mit Daniel (Giovanni Ribisi) auch einen Freund zu bekommen.

Der erste Sex wird sorgfältig geplant mit einer Liste der Stellungen nach einem Kamasutra-Band: Nr. 32 ja, 64 o.k., 77 lieber nicht, 162 nehmen wir auch ... Derweil weicht die steife, prüde Mutter jeder Abweichung von ihrem ätzenden, längst gescheiterten Normglück aus. Sie ist ja auch noch mit der anderen, der lesbischen Tochter "geschlagen". Die unausweichliche Wende kommt dann extrem entblößend und typisch für den amerikanischen Film: Jemand redet öffentlich über Sex und alles Glück ist bedroht!

"Ganz normal verliebt" bringt es gegen jede innere Logik fertig, ein gefühlsduseliges Melodram anzudrohen. Außerdem kann der Film nicht funktionieren, weil Carla einfach alles gelingt. Von behindert und benachteiligt ist nichts zu sehen, das wäre ja vielleicht wieder diskriminierend? Dabei ist der ganze Film unglaublich: Da führt das vielfältig ekelhafte Machwerk doch tatsächlich wie im Tierfilm vor, daß die süßen Exoten (oder Idioten) sich kennen- und liebenlernen. Ganz abgesehen davon hängt das übelste Machwerk, das ich in vielen Jahren gesehen habe, völlig von der Glaubwürdigkeit von Juliette Lewis ab, die leider nicht vorhanden ist. (Ganz im Gegensatz zu der Leistung von Helena Bonham Carter in "Vom Fliegen und anderen Träumen"). Lewis' Filmschwestern und auch der Vater (Tom Skerritt) sind durchgehend unpersönliches Nichts und passen damit zur dünnen Handlung. Fast zwei Stunden muß man unerträglich falsches Idioten-Spielen von Lewis und Ribisi ertragen. Dazu das konstruierte Gefühlssabbern, die Verlogenheit, sich für den letzten Rührungskick und die millionste Variante einer einfallslosen Geschichte bei Behinderten zu bedienen. Vielleicht wollte Garry Marshall nach "Pretty Woman" nochmals mit einem Filmmärchen einen Treffer landen. Ganz schön daneben ...


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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