Berlinale 2004

Festivalberichte von Günter H. Jekubzik und Oliver Schiffers


Die 54. internationalen Filmfestspiele in Berlin
5. - 15. Februar 2004

The missing Guest - Amerikanisches Wochenende

Vermisste Gäste und starke Frauen am ersten Berlinale-Wochenende

Berlin. Es ist schon ärgerlich, wenn Freunde die Party früher verlassen, weil sie woanders eingeladen sind! Falls sich jemand wundert, dass im Wettbewerb der 54. Internationalen Filmfestspiele Berlin am ersten Wochenende so viele "Amerikaner" laufen: Sie sind am Montag in Los Angeles zum Essen eingeladen, deshalb hat Dieter Kosslick ihre Filme vorgezogen. Zumindest die Bekannteren aus der Filmbranche dürfen zum Diner der Oscar-Nominierten. Da will keiner der Berlinale-Gäste zu "The Missing", "Monster" oder "Was das Herz begehrt" drauf verzichten. Und die Berlinale will eigentlich auch nicht auf die große Show der Nominierten verzichten. Weil der Oscar seit diesem Jahr früher stattfindet, denkt jetzt auch Kosslick laut darüber nach, die Berlinale 1-2 Wochen nach hinten zu verlegen.

Deshalb dreht sich auch hier alles um diese Filme, die schon in den nächsten Wochen ins Kino kommen: "Cold Mountain", "The Missing", "Monster" oder "Was das Herz begehrt" haben allesamt starke Frauen im Zentrum. Vor allem "The Missing" von Regisseur Ron Howard ("A Beautiful Mind", "Kopfgeld - Ransom"), in dem Cate Blanchett als Siedlerin Maggie in New Mexico ihre entführte Tochter zu befreien sucht. Behilflich ist Maggie dabei ihr Vater Jones (Tomy Lee Jones), der vor vielen Jahren die Familie verließ und mit einer indianischen Frau lebte. Er ist der andere "Vermisste" (The Missing) in diesem intensiven, packenden Abenteuer, das mit starken Figuren, exzellenten Schauspielern und einer spannenden Kamera ein ganz neues Bild vom Weste(r)n zeichnet.

Nachdem Nicole Kidman Berlin eine kalte Schulter zeigte, hoffen die Fans am Potsdamer Platz nun auf Cate Blanchett. Ebenso heiß wurden Jack Nicholson und Diane Keaton gehandelt: Ihr Liebesfilm "Somethings gotta give" ("Was das Herz begehrt") startet als Schürzenjäger-Trip des über sechzig-jährigen HipHop-Produzenten Harry Sanborn (Nicholson), und endet als romantische Komödie, bei der endlich mal eine ältere Frau das Steuer übernimmt. Harry hat ein peinliches Wochenende mit Herzkasper statt Höhepunkt, interessiert sich dann doch mehr für die reife Mutter seines jungen Hüpfers und kann mit diesem Gefühl erstmal gar nichts anfangen. Regisseurin Nancy Meyers ("Was Frauen wollen") lässt es allerdings nicht so weit kommen, dass am Ende nicht alle glücklich werden. Mit Michael Ballhaus hinter der Kamera und mit Hans Zimmer als Komponisten ist "Somethings ..." übrigens fast deutsch!

Wesentlich drastischer geht "Monster" vor, die wahre Geschichte der hingerichteten Aileen Wuornos, einer Prostituierten und Mörderin. Charlize Theron wollte sich mit dieser Rolle vom Image der schönen Blonden lösen und als Charakterdarstellerin zeigen. Doch man blickt den ganzen Film lang nur irritiert auf ihre Maske, das seltsam deformierte Gesicht, die angefressenen Pfunde und das Macho-Gehabe, das Angst und Schwäche überspielen soll. Wie gut wäre es gewesen, wenn das eine Schauspielerin gemacht hätte, die so einen Aufwand nicht nötig hat! (Etwa Francis McDormand, die Jury-Präsidentin.) Trotzdem: Hollywood liebt es, wenn sich Leute wegen einer Rolle entstellen - DeNiro für "Raging Bull", Zellwegger für "Bridget Jones". Da könnte doch ein Oscar für die schöne Blonde drin sein und Berlin hätte sich wieder mal als Oscar-Schaulaufen erwiesen.