Fräulein Smillas Gespür für Schnee

BRD/Dänemark1997, Regie Bille August, 120 Min.

Kaum hat dieser Film die Berlinale 1997 eröffnet, daläuft er auch schon in allen Kinos. Oder noch krasser: Erläuft seit Donnerstag in den deutschen Kinos, nur Berlin hinktmit einem Sonderstatus hinterher, damit der große gefeierte"Eröffnungsfilm" nicht schon nachmittags in denGroßstadtkinos für das einfache Publikum läuft.Klingt nach Klüngel? Klingt nach Eichinger, aber dazuspäter mehr.

Die Krimigeschichte hat ihre Wurzeln oben im nordischen Eis,dessen eindrucksvolles Panorama den Film eröffnet. EinRobbenfischer erlebt, wie ein Feuerball vom Himmel stürzt,flieht vor der gigantischen Flutwelle bis die Leinwand imursprünglichen Weiß versinkt. Weiter geht es imklimatechnisch wärmeren, aber menschlich frostigeren Kopenhagen.Die Eisforscherin Smilla Jasperson (Julia Ormond) wird vom Tod ihreskleinen Nachbarn Isaiah (Clipper Miano) geschockt. Er stammte ausGrönland, war Inuit (früher durfte man noch "Eskimo"sagen). Da sie - als Tochter einer Grönländerin - eine engeFreundschaft zum Jungen entwickelte, kann sie nicht an Selbstmordglauben und setzt die ermittelnden Behörden beharrlich klugunter Druck. Schnell wird klar: es ist etwas faul im staatlichen,dänischen Krankenhaus - was übrigens auch schon Lars vonTrier in "Geister" bemerkte. Der Druck kommt von zweifelhaftenGestalten auf mörderische Weise zurück. Hilfreich ist nurSmillas einflußreicher und voller Schuldgefühle steckenderVater (Robert Loggia) sowie ein geheimnisvoller Nachbar (GabrielByrne). Die generell gegenüber Männern verschlossene Smillawird ausgerechnet bei letzterem weich, der in dieser brenzligenSituation genau der Falsche sein könnte ...

Der dänische Regisseur Bille August galt nach seinemJugendfilm "Twist and Shout", nach der mit Palme und Oscarpreisgekrönten, wunderbaren skandinavischen Kindergeschichte"Pelle, der Eroberer" und der bedrückenden Ingmar Bergman-Story"Die besten Absichten" als großes Regietalent. Seine Figurenatmeten Leben und hatten weite Seelenlandschaften. Dann kam dieZusammenarbeit mit Eichinger. Schon einmal machte sich das TeamAugust/Eichinger an einen weltweit geliebten Bestseller heran. Auch"Das Geisterhaus" trumpftemit internationalen Stars auf, enttäuschte aber die Leser durcheine extreme Banalisierung und den Verlust von ganz speziellerPoesie. Die erste Hälfte von "Fräulein Smilla" vermitteltnoch ein Gespür für das, was den Roman von Peter Hoeg zum"Weltbestseller" machte. Smilla darf kurz einige Arten von Schneeaufzählen. (Wie auch "Der englische Patient" in Buch undWettbewerbsfilm über die eigentümlichsten Winde der Weltfabulieren kann!) Man fragt sich neugierig, wie denn dasVerhältnis den "Festlands-Dänen" zu "ihren"Grönländern ist. Vom Leben eines jungen Inuit in unsererwestlichen "Zivilisation" erzählt übrigens auch sehrschön Vincent Wards"Flucht aus dem Eis" (Mapof the Human Heart, GB/Kan./Australien/Fr. 1992).

Von Anfang an bestimmt den Film eine düstere Stimmung undanhaltende Spannung. Doch die Lösung ergibt sich bald, am Endedriftet die Story - wie übrigens auch im Buch - mächtig indie Action- und Verfolgungskiste ab, mit reichlich Blut undVerletzungen. Julia Ormond (u.a."Das Wunder vonMacon", "Der ersteRitter", "Sabrina")macht Smillas Heimatlosigkeit im kühlen Kopenhagen spürbar.Unter dunklen Haaren läßt ihr Blick besondere Tiefenerahnen. Auch Gabriel Byrne, Richard Harris, Robert Loggia, MarioAdorf oder Vanessa Redgrave können sicherlich Schauspielern,doch sie wirken zwischen einfachen dänischen Mietshäusernund schmierigen Häfen deplaziert. Insgesamt ist "FräuleinSmillas Gespür für Schnee" ganz guter Durchschnitt, denviele aufgrund des Romans sehen werden.

Günter H. Jekubzik


Eine Kritik vonGünter H.Jekubzik

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