The Element of Crime

Dänemark 1984 (The Element of Crime) Regie: Lars von Trier mit Michael Elphick, Me Me Lei, Esmond Knight 104 Min. OmU

Die sensationellen Filme des Dänen Lars von Trier gehören mittlerweile zum Kino-Establishment, auch wenn er mit "Dogville" wieder ästhetisch und thematisch aufrüttelte. Der kleine Verleih Realfiction bringt jetzt die ersten Filme von Triers, die komplette Europa-Trilogie wieder ins Kino. Den Anfang macht diese Woche "The Element of Crime", weiter geht es im Mai und im Juli. Erstmals ist dabei auch der schauerliche "Epidemic" zu erleben.

Mit dem ultimativen schwarz-gelben Detektiv-Film "The Element of Crime" (1984) und dem düsteren Nachkriegs "Europa" (1991) lässt es sich vortrefflich ein- und untertauchen in Triers pessimistisch-komische Welten.

Lars von Trier sagt, "Film ist Hypnose", und lässt "Europa" hypnotisch mit der Stimme Max von Sydows (im Original) beginnen, der über dem eintönigen Bildrauschen dunkler Gleise von Eins bis Zehn zählt. Die Beschwörung versetzt Leopold Kessler und das Publikum ins Europa des Oktober 1945. Nachdem "The Element of Crime" ein fiktives Städteviereck um Halbestadt ausmaß, bewegt sich Europa auf dem Gleisdreieck zwischen Frankfurt, Berlin und München. Kessler, ein Amerikaner deutscher Abstammung, beginnt bei der Zuggesellschaft Zentropa eine Ausbildung zum Erste-Klasse-Schaffner, verliebt sich in die Tochter (Barbara Sukowa) des Zentropa-Besitzers Max Hartmann (Udo Kier, die deutsche Konstante in den von Trier-Filmen). Dabei gerät Kessler zwischen die Fronten von amerikanischen Besatzern und faschistisch-nationalistischer Werwolf-Organisation. Von Trier selbst hat in diesem populäreren und hochrangig besetzten Werk einen Auftritt als ehemaliger KZ-Häftling.

Eine erste Begegnung mit dem Dänen war der jahrelang als Geheimtipp gehandelte "The Element of Crime": Ein kahl geschorener von Trier (in der Rolle eines schmierigen Portiers) eröffnet diesen Einblick in eine Gesellschaft, für die Endzeit schon längst vorbei ist. Es ist ein film noir, der durch sein dreckiges Gelb nur noch schwärzer wird. Der Detektiv Mr. Fisher ließ sich in Kairo hypnotisieren, um seine traumatischen Europa-Erlebnisse zu verarbeiten: Der Kriminalfall um den Lottomörder spielt sich in einem absurden, futuristisch zerfallenen Deutschland ab, in dem es dauernd regnet. Das Chaos herrscht brutal und hässlich; die Bungee-Jumper machen nicht kurz vor der Erdoberfläche halt.

Getreu der Methode seines Lehrers begibt sich Fisher immer tiefer in das Leben des vermeintlichen Täters. Am Ende bleibt alles im Dunkeln und es scheint Fisher unmöglich, aus der Hypnose zurückzukehren. Sie sind schon fesselnd die Filme des Lars von Trier, obwohl er es schwierig mag: In "The Element of Crime" wählte er nie die gewöhnliche Kameraeinstellung. Spiegel helfen oft, ungewöhnliche Blickwinkel zu finden und verschiedene Elemente zusammenzufassen. Lange Kamerafahrten verwirren die Orientierung. Mehrfachbelichtungen bringen bei den irren Bildern von "Europa" bis zu fünf Bildebenen zusammen. Schauspieler reden mit Rückprojektionen. Farbe wird nur mit deutlicher Signalwirkung eingesetzt. Kurz: Ein stilistisches Meisterwerk.

Bei Lars von Trier taucht die gesellschaftliche Fäulnis aus dem Wasser auf. Mal schwimmt ein Pferdekopf (Element), mal eine Hand (Geister), mal ein ganzer Eisenbahnwagen samt Filmheld unter der Oberfläche. In "Epidemic" reist Lars durch ein nasses Industrie-Deutschland, das Lust an seinem Spiel weicht allerdings dem Horror einer minutenlang schreienden Frau: In Hypnose durchwandert sie eine verseuchte Stadt und kann nicht von der schrecklichen Trance befreit werden. Sie lassen einen halt nicht los, die Visionen von Triers.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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