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Erklärt Pereira

I/Fr 1996 (Sostiene Pereira) Regie und Ko-Autor Roberto Faenza,104 Min.

"Was kann ich schon tun, ich beschäftige mich mit Literatur..."

Von Günter H. Jekubzik

Ein besonderer Reiz von "Erklärt Pereira" liegt im Auftrittvon Marcello Mastroianni: So gegenwärtig, daß die Tatsacheseines Todes im Dezember 1996 schwer zu fassen ist. Diesmal istMastroianni nicht der Lebemann und Verführer Fellinis, auchnicht der lebensüberdrüssige Greis von Angelopoulos. Erspielt den schwitzenden, mit zittriger Hand am Stock gehenden,vergeßlichen Redakteur Pereira. Pereira ist portugiesischerKatholik, glaubt aber nicht gerne an die Auferstehung des Fleisches -verständlich bei seinem Körperumfang! Als Verantwortlicherder Kulturseite der sich nur unabhängig nennenden Zeitung Lisboawidmet Pereira sich vor allem der Literatur, denkt auch schon malüber den Tod nach. Der langjährige Lokalredakteur hat nunsein eigenes Zimmerchen abseits der Zentrale, seinen ruhigen Bereich,der aber immer mehr von der linientreuen Portiersfrau kontrolliertwird. Die politische Situation des Jahres 1938, die faschistischeDiktatur Salazars, taucht in der Zeitung nicht auf, dafür sehrdeutlich im Film.

Nach einem Treffen mit dem jungen, lebenshungrigen ItalienerMonteiro Rossi (Stefano Dionisi) und dessen Freundin Marta (NicolettaBraschi, die Prinzessin aus Benignis "DasLeben ist schön") häufen sich die Aufforderungen vonallen Seiten, etwas zu tun, zu schreiben, was in Spanien, Italien undDeutschland geschieht.

Der hilflos unpolitische Intellektuelle Pereira lernt einedeutsche Jüdin auf der Flucht kennen, die auch in Portugal nichtwillkommen ist. Die barbarischen Ereignisse werden unübersehbar,Militarismus und Drill herrschen an allen Ecken. Ein albernerZeitungsdirektor redet derweil von "portugiesischer Rasse" undstartet eine Lobrede auf die Selbstzensur, denn die analphabetischenZensoren des Staates könnten auch nicht alles lesen. Kritischebis ketzerische Gedanken mit einem Priester, die ganzheitlicheBetrachtung von Körper, Geist und Seele des gebildetenfranzösischen Kur-Doktors Cardoso (Daniel Auteuil) undGespräche mit dem Foto seiner verstorbenen Frau ermutigenPereira zu einer demonstrativen Tat gegen die Barbarei.

Im Gegensatz zu groben, klischeehaften Darstellungen desFaschismus - etwa "ComedianHarmonists" - ist "Erklärt Pereira" nach dem gleichnamigenRoman von Antonio Tabucchi vom ausgleichenden Blick seiner Hauptfigurbestimmt. Mit vielen klugen, neugierigen Fragen tastet sie sich offenin die politische und soziale Welt hinein. Es ist faszinierend, wieleicht politische und philosophische Strömungen in die Handlungeinfließen.

Der italienische Regisseur Roberto Faenza, dem das FilmfestOldenburg in dieser Woche eine Retrospektive widmet, goß dieGeschichte in warme Farben und Ausstattungen. Der Film macht dieHitze spürbar, aber auch die so häufig beschworene "Vernunft des Herzens" in einer wenig beleuchteten Zeit am RandeEuropas. Der von der Filmstiftung NRW geförderte Filmerfährt einen Vorstart in Nordrhein-Westfalen, danach läufter in ausgewählten Kinos bundesweit.


Eine Kritik von GünterH. Jekubzik

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