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Der Dieb

Rußland/Fr 1998 (Bop) Regie Pavel Tschuchrai, 97 Min.

Wie Schlöndorffs Oscarchen wurde Sanja auf einem Feld geboren. Der Krieg war noch nicht lange vorbei. Viele Menschen ziehen ohne ein Zuhause umher. Die Menschen müssen sich mit anderen Familien eine Wohnung teilen. In einem der überfüllten Züge trifft die junge Katja auf einen stattlichen Mann in Offiziersuniform. Tolja und Katja fallen gierig übereinander her und machen sich in der nächsten Stadt gemeinsam auf Zimmersuche. In engen Verhältnissen spielt Tolja seinen Charme gegenüber allen Mitbewohnern aus, lädt sie sogar in den Zirkus ein. Doch die allgemeine Abwesenheit nutzt der falsche Offizier, um die gesamte Wohnung auszurauben. Katja ist entsetzt als sie ihn erwischt, folgt ihm aber aus Liebe in die nächste Stadt, zur nächsten Wohnung.

Verstört von den Geräuschen und Handgreiflichkeiten der erwachsenen Lust ist das Kind hin und hergerissen zwischen Eifersucht und Bewunderung für den starken Typen Tolja. Schließlich möchte der Knirps den übemächtigen Mann gar töten, weil die Mutter verraten hat. Mit seinen Machoallüren und einer Lebensregel, die nur auf Stärke basiert, prägt Tolja den Jungen. Er lehrt Sanja, daß man bei den rauhen Nachbarskindern zuerst zuschlagen muß.

Auf Toljas Brust, über dem Herzen prunkt ein tätowiertes Porträt Stalin. Ob es ernst gemeint oder nur ein weiterer Trick ist, bleibt offen. Ebenso die "geheime Geschichte", er sei ein Sohn Stalins. Vielleicht müssen wir hier jetzt die Geschichte Rußlands verstehen, eine von Stalin geprägte Generation von Dieben, die wiederum ihre (nicht leiblichen) Söhne versaut? Ist das Nichts, das Sanja spürt, nachdem er sich tatkräftig von der Vergangenheit gelöst hat, ein allgemeiner russischer Zustand? Eine andere Fassung des Films hätte da vielleicht weitergeholfen: Auf einem Festival in China soll eine längere Fassung gezeigt worden sein, die auch noch vom weiteren Weg des Soldaten Sanja erzählt.

Es bleibt eine, die altmodisch erzählte Geschichte prägende Haßliebe zum Dieb übrig, eine Faszination zur Pistole, die Sanja von Anfang an bestimmte. "Der Dieb" war einer von fünf Oscarkandidaten für den nicht englischsprachigen Film des Jahres 1997. Neben lieblichen Kindergesichtern, schönen Mädchen und männlichen Männer zeichnet den netten, aber nicht besonders eindrucksvollen Film höchstens die professionelle Machart ohne Ecken und Kanten aus.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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