Crimson Tide

USA 1995 Regie Tony Scott, 115 Min.

Von Günter H. Jekubzik

Die Gefahr eines atomaren 3.Weltkrieges beschwörend, wirkt "Crimson Tide" anachronistisch, doch mit der unfreiwilligen Unterstützung der Tschetschenien-Kämpfe erhält das spannende Spektakel einen zynisch aktuellen Hintergrund.

Im russischen Bürgerkrieg haben "Rebellen" eine Raketenbasis voller nuklearer Sprengköpfen erobert. Das U-Boot USS Alabama wird mit seinen Atomraketen unter Kapitän Ramsey (Gene Hackman) an die Unterwasser-Front geschickt. Und vor der Küste Asiens tritt das Unglaubliche ein: Ein kodierter Funkspruch befiehlt das Scharfmachen der Waffen. Doch mitten im Kampf gegen ein russisches U-Boot kommt eine zweite, verstümmelte Nachricht an: Je nach Geisteshaltung wird das Fragment als Befehl zum Weitermachen oder als Aufforderung zum Abbruch des Abschußprogramms interpretiert. Lt. Commander Ron Hunter will erst eine weitere Bestätigung einholen, bevor er die Welt in den atomaren Holocaust schickt. Damit ist die Stimmung an Bord ebenso explosiv wie das Gefecht unter der Meeresoberfläche.

Tony Scott (Top Gun, True Romance) inszenierte diesen Unterwasser-Thriller, der alle an "Das Boot" erinnert, aber atmosphärisch nicht an Petersens Tauch-Klassiker heranreicht. Statt einer verschwitzten Enge überrascht der weite Raum für hektisches Hin und Her-Rennen. Nicht die Tiefe des Schiffrumpfes, sondern das Auf und Ab im Boot werden mit vertikalen Kamerafahrten immer wieder betont. Logisch, denn es geht nach dem Drehbuch von Michael Schiffer (an dem angeblich Quentin Tarantino ohne Namenserwähnung gefeilt haben soll) um Hierarchien und Befehlstrukturen, das Oben und Unten im Militärapparat.

Dem routiniert unsympathischen Hackman steht ein faszinierend energischer und kämpferischer Denzel Washington als Ron Hunter gegenüber. Der junge Offizier wird als Mann der Aufklärung eingeführt: Er befiehlt nicht, er überzeugt und motiviert auch noch den letzten Kombüsenjungen. Jetzt muß er das ganze Schiff dazu bewegen, den Kapitän abzusetzen - es gilt, die Welt zu retten!

Ein Männerduell in einem sehr spannenden Männerfilm - nur am Anfang darf Hunters Ehefrau traurig Abschiednehmen. Denzel Washington und ein in seinen Augen- und Mundwinkeln besonders gemeiner Gene Hackman blitzen sich dauernd mit starrem Blick an. In deutlichen Männergesprächen, satten, griffigen Formulierungen kommt das Problem Befehlsnotstand auf den Tisch. Müssen die unselbständigen Militärs noch Befehlen gehorchen, auch wenn sie vermuten, daß damit Großteil der Menschheit vernichtet wird.

Wenn Hollywood-Filme die Befindlichkeit der Nation spiegeln, erhält hier Bill Clintons Entscheidung gegen Vietnam eine nachträgliche Absolution und ein neuer Führungsstil wird publik gemacht. Doch selbstverständlich ist die ganze Diskussion nur ein Scheingefecht. Die alte (Befehls-) Struktur soll höchstens minimal korrigiert werden. Am Ende tauchen dann die weißen Militär-Götter auf und sagen: War alles nicht so schlimm, wir haben die ganze Sache unter Kontrolle. Da bekam ich wirklich Angst.

***

avz-kurz 15.7.95

Der sehr spannende U-Boot-Thriller macht aus dem Einsatz von Atomraketen einen Streitfall zwischen Kapitän Ramsey (Gene Hackman) und dem zweiten Verantwortlichen, Ron Hunter (Denzel Washington). Inszenatorisch ein Volltreffer, ideologisch eine Altlast.


Eine Kritik vonGünter H.Jekubzik

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