The Best of Tex Avery
USA 1942-52, Regie: Tex Avery, 85 Min. Englische Originalversion
Erste Szene: Das kleine, süße Trickfilm-Eichhörnchen trippelt durch den lieblichen Wald, knabbert mit runden Wangen freudig an einer ebenso glücklichen Haselnuß und wird kurz danach von einem gehässigen, gar nicht süß gezeichneten Kollegen durchgeprügelt. Zweite Szene: Die warme Erzählerstimme kommentiert die Jagd des bösen Wolfes mit den bekannten Märchenworten - bis die Figuren inklusive Großmutter rebellisch werden und endlich eine neue Geschichte verlangen. Prompt landet die Handlung in einem Nachtklub, wo Rotkäppchen als Tänzerin den wollüstigen Wolf anmacht.
So frei und auch freizügig war Tex Avery in vielen seiner Cartoons. Elf der kurzen Vorfilme aus der Zeit von 1942 bis 1952 zeigt "The Best of Tex Avery" jetzt hintereinander. Dabei sprengt Averys Phantasie den Rahmen üblicher, auch nicht gerade harmloser Zeichentrickfilme nicht nur sinnbildlich: In der wahnwitzigen Verfolgungsjagd "Dumb-Hounded" (1943) verläßt die rasende Flucht des Sträflings sogar den (aufgemalten) Filmstreifen. Averys Figuren sind sich ihrer Rollen bewußt: Sie verspotten und verprügeln nicht nur die harmlosen Disney-Konkurrenten, sie wissen auch, wie ihr Kurzfilm ausgehen wird, sie spielen ihre eigene - vom Komponisten Scott Bradley ebenso rasant angelegte - Filmmusik und kommentieren selbstgemachte Scherze. Dieses Prinzip des "Noch einen 'draufsetzens" kann, ins Extreme gesteigert, der einzige Inhalt eines Avery-Streifens sein, wie bei "King Size Canary" (1947).
Die elf Technicolor-Cartoons für Metro-Goldwyn-Mayer, die derart gehäuft doch etwas anstrengend sind, geben ein breites Spektrum wieder: Von der dichten, auch ernstzunehmenden Anti-Hitler-Fabel mit den drei Schweinchen und "Blitz Wolf" (1942) oder "TV of Tomorrow" (1952), der anderen Propaganda, die teilweise prophetisch gegen das Fernsehen ins Feld zieht, über fast schon nette, kleine Geschichten bis zur reinen Freude an der Aufhebung von Wahrscheinlichkeit und Realismus. (Einige mögen schon aus einer Avery-Retrospektive der dritten Programme bekannt sein.)
Immer bleibt den Avery-Wesen eine Gehässigkeit und eine Schadenfreude konstant, die im Vergleich "Tom und Jerry" zu trägen Schmusetieren macht. Und natürlich eine Geschwindigkeit, wie sie Spielberg heute noch in den von ihm produzierten "Roger Rabbit"-Cartoons pflegt. Dort taucht auch die vielleicht bekannteste Figur des texanischen Zeichners wieder auf: Der lethargisch schleichende Hund Dropy, dessen Gang nur vordergründig im Widerspruch zur Avery-Rasanz steht. Dropy ist nämlich auch ohne Bewegung schon immer am hektisch erreichten Zielort seiner Gegner.
Eine Kritik vonGünter H.Jekubzik
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