Das Baumhaus
USA 1994 (The war) Regie Jon Avnet, 125 Min.
Was können wir aus den Fehlern des Vietnamkrieges lernen? Wir? Genau, kein Mensch wird in Europa die traumatischen Grundlagen nachfühlen können, aus denen "Das Baumhaus" gebaut ist.
An Körper und Seele zernarbt, kehrte Stephen Simmons aus dem Vietnamkrieg zurück. Psychische Probleme verhindern, daß er in der Krisenzeit Arbeit findet. Das Heim wurde der Familie enteignet. Von seiner Frau Lois trennt ihn eine innere Barriere. Einen großen Teil der Konflikte tragen seine zwei Kinder für ihn aus. Stu und seine Schwester Lidia bauen mit Freunden ein Baumhaus, müssen sich aber immer wieder gegen die aggressiven, mißratenen Lipnickis, die Kinder des brutalen, mißratenen Schrottplatzbesitzers verteidigen. Mit Zucker und Sanftmut verbreitet Stephen einen friedlichen Ansatz: Schlägt dir jemand ins Gesicht, halte ihm etwas Zuckerwatte hin. Doch er fühlt sich wie Judas, weil er seinen besten Freund verletzt auf dem Schlachtfeld zurückließ.
Erst mit gehaltvollen, rührenden Worten, dann mit drastischen Taten wollen Daddy Costner und der Film klarmachen, daß der Kampf alles zerstört: "Kämpfen heißt, alles verlieren!" Ein ungewöhnliches, aber aufgesetztes Plädoyer für den Pazifismus, eine weise Erkenntnis in Hinblick auf Vietnam, Korea, Panama, Kuwait. Doch der gefühlsbetonte Ansatz geht bei Nicht-Amis schief, so daß sich nur soziologisches Interesse an dem Film erfreuen kann.
Eine Menge Szenen funktionieren nicht und wirken deplaziert. Vor guten Kulissen und Kostümen erstaunen die psychologischen Anachronismen: Antiautoritäre Erziehung im Jahre 1970, vertraute Gespräche zwischen Vater und Sohn über Vietnamtraumata, die Tochter hält sowohl der Mutter als auch der Lehrerin Standpauken und hat ein fast perfektes Verhältnis zur schwarzen Freundin Elvadine. Und dann diese hehren Sprüche, die gar nicht zu der miserablen Situation passen: "Solange wir Hoffnung haben, gibt es auch eine Chance."
Alle verweisen beim Namen des Regisseurs Jon Avnet auf seine "Grüne Tomaten", doch die beiden Filme haben außer den südstaatlichen Handlungsorten und dem Übermaß an Sentiment nichts gemein.
Dr. W. Kamp meinte einst, Costner wurde dauernd in anachronistisch amerikanischen Filmen mitmachen. "Feld der Träume", "The Untouchables", "Perfect World" oder "JFK" verteidigen ein verlorenes Amerika. (Und es kommen in Costner-Filmen auffällig viele Maisfelder vor.) "Das Baumhaus" paßt perfekt in diese Reihe. Andererseits ist ein Wechsel von dem einfachen Action- und Genre-Costner ("Bodyguard", "Robin Hood", "Waterworld") und einem düsteren, problembeladenen Costner zu erkennen. Wie heißt es in "Das Baumhaus": "Daddy (Costner) bemüht sich stets darum, daß diese Welt besser für uns alle wird." Auf dem Höhepunkt des Sentiments stirbt dann der gute Amerikaner - armes Land.
Doch wen sollen eigentlich diese noch ärmeren, von ihrem Vater geprügelten Lipnickis gegenüber den wohlerzogenen, vernünftigen Costner-Kindern darstellen? Spielen die nicht schon wieder Vietnam, um die ärmeren, dümmeren, von ihren Führern mißhandelten Nationen zu retten?
Eine Kritik vonGünter H.Jekubzik
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