Skandal um Skandalfilm
Blue Belgium

Ein so skandalträchtiges Land wie Belgien liefert den Filmemachern zwangsläufig viel brisantes Material. Dabei kann allerdings auch der Film selber wieder unter die Räder kommen, wie es zur Zeit "Blue Belgium" (The Dutroux Connection) erfährt. Der Spielfilm des Regisseurs Rob Van Eyck greift in seiner freien Interpretation die brutalen und systematischen Kindesmißhandlungen und Morde auf, für die der Name Dutroux synonym steht. Im Arsenal der perversen Hauptfigur stellen die Greueltaten Dutroux' jedoch nur einen von mehreren Versuchen dar, Belgien zu destabilisieren.

Der ehemalige Justizminister De Clerck hatte darauf gedrungen, den Film erst nach Ende des Dutroux-Prozesses zu veröffentlichen. Das klingt sinnvoll als Schutz gegen Vorverurteilung, ist allerdings ein Hohn, wenn man weiß, dass die Dutroux-Affäre gerade wegen vielfältiger Verstrickungen von Justiz und Politik so schockierend für das Rechtsgefühl der Belgier war. Trotzdem bot Rob Van Eyck dem nächsten Justizminister Verwilghen an, "Blue Belgium" intern im Ministerium vorzuführen. Verwilghen lehnte mit Hinweis auf die Freiheit der Kunst ab. Aus Angst vor Beschlagnahmung wollte der Regisseur, der schon mal "Ed Wood von Flandern" genannt wird, zwischenzeitlich sogar eine Kopie im Ausland hinterlegen.

Der mit einem Minietat von circa 700.000 DM realisierte Film sollte am 19. Januar 2000 in die Kinos kommen. Allerdings waren zu Redaktionsschluß noch Verhandlungen der Verleiher mit den Kinobetreibern im Gange. Nach Auskunft des flämischen Fachblattes "Film & Televisie" bestätigten erste Pressevorführungen den Verdacht mangelhafter Qualität beim hauptsächlich spekulativen "Blue Belgium". Viel Lärm um Nichts also.

Ganz anders, nämlich unauffällig und leise, hatte der Wallone Marian Handwerker die erschreckenden Ereignisse um Dutroux in dem ergreifenden, bewußt nicht spekulativen "Pure Fiction" bearbeitet. Zurückhaltend ließ er Geschichte und Schauspieler wirken und gab eine Ahnung von Verzweiflung und Wut, die angesichts des korrupten Sumpfs in Belgien herrschen müssen. Die Schlußworte des Film lauten: "Die Fiktion ist eine Lüge. Die Wahrheit ist viel schlimmer."


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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