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Aufzeichnungen von Kleidern und Städten

(BRD/Frankreich 1988/89, Regie und Buch: Wim Wenders, 81 Min.)

Nicht nur die Schrift erzeugt Texte, auch ein Faden kann Text(-ilien) erzeugen und eine Reihe von Bildern auf Zelluloid läßt sich als filmischer Text bezeichnen. Diese Parallele -es ist nicht die einzige- zwischen seiner Arbeit als Filmautor und der eines Modedesigners, bewog Wim Wenders, den japanischen Modeschöpfer Yohij Yamamoto in den "Aufzeichnungen von Kleidern und Städten" zu porträtieren.

Yamamotos Ästhetik ist stark von der Funktionalität geprägt. Dieses Verständnis von 'schön' führte in einem Initialereignis bei Wenders dazu, daß er ein neues Hemd und eine neue Jacke, entworfen von Yamamoto, beim ersten Tragen als 'seine Kleidung' ansah, ein Eindruck der ansonsten eines längeren Umgangs mit der 'Gewandung' erfordert.

Wenders nutzt die Gelegenheit des Kontakts, mit einem anderen Autoren, einem 'Autor' der Stoffe, um Grundlegendes über Form und Material, den Prozeß der Umsetzung einer persönlichen Sprache in ein industrielles Produkt mit Hilfe eines Teams helfender 'Engel' und andere allgemeine Aspekte beider Künste zu überdenken. Der deutsche Regisseur entdeckt dabei Themen aus dem ihm eigenen Bereich.

Gleichzeitig experimentiert er mit Film und Video. Die alte Vorliebe für Zelluloid wird diesem zweiten Tokiobesuch nach "Tokyo Ga" (ein filmischer Essay über den japanischen Regisseur Yasujiro Ozu) enttäuscht, als deutlich wird, daß elektronische Bilder die adäquatere Form für das Leben dieser Stadt sind. So ist auf der Leinwand ein variantenreiches Spiel mit unscharfen Video- und hochwertigeren Filmbildern zu sehen. Die Wiedergabe per Bildschirm wird von Wenders durch einen kleinen Monitor ergänzt. Während die tragbare Video 8-Station ein Gespräch über einen Bildband August Sanders -sowohl von Y.Y. wie auch von W.W. verehrt- zeigt, blättert Wenders im gleichen Bildausschnitt noch einmal in diesem Buch, diesmal aufgenommen von einer Filmkamera. Eine 'Parallelfahrt' setzt die zwei Darstellungsformen nebeneinander: Im Auto fährt die (Film)Kamera durch Paris; die Hälfte des Bildes wird von dem Videomonitor eingenommen, der die Straßen Tokios zeigt. Die alte Kultur neben der neuen. Zwischen diesen Polen bewegt sich auch der Stoff, die Story, die der Weg einer Kollektion Yamamotos von den ersten Entwürfen in Tokio bis zur Präsentation in Paris ist.

Neben diesen film-poetologischen Betrachtungen reizen die "Aufzeichnungen von Kleidern und Städten" durch die nahe Beobachtung der Arbeit von Yamamoto und seinen MitarbeiterInnen. Yamamoto überträgt einen Zuschnitt. Seine Hand mit dem Bleistift arbeitet in einem Kreis anderer Hände die mitdenkend ihr Schere oder Klebestreifen reichen. Ein Zusammenspiel, daß -auch durch musikalische Unterstützung- fasziniert. So wie für Yamamoto die Individualität eines Modedesigners im Schnitt liegt, fügt auch Wenders in der Montage seine Randbemerkungen hinzu und macht die "Aufzeichnungen" bemerkenswert interessant.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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