Effekt und Stil

Seit der Stereofotografie funktionieren 3D-Simulationen nach dem gleichen Prinzip: Zwei leicht versetzt aufgenommene Bilder werden den Augen so dargeboten, daß diese sich einen Raum daraus machen - in Analogie zur üblichen Seherfahrung. Billige, rot-grüne Folienbrillen sind dabei passé. Polarisiertes Licht und dazugehörige Gläser sorgen bei Imax 3D dafür, daß jedes Auge nur sein versetztes Bild aus den zwei Projektoren erkennt. Die sind wiederum die lichtstärksten der Welt, damit die 600 Quadratmeter große Leinwand bis in die Augenwinkel erstrahlen kann. Dem Verfahren setzen jedoch Technik und Physik gleiche Grenzen wie dem menschlichen Blick. Denn auch das Auge sieht nur in einem bestimmten Bereich wirklich dreidimensional. Kommen ihm Gegenstände zu nahe, kann das Gehirn aus den zwei unterschiedlichen "Aufnahmen" der Augen keinen Raum mehr konstruieren: wir schielen. Auch bei großen Entfernungen sehen wir nicht mehr räumlich, obwohl wir uns den Unterschied und den Übergang nicht bewußt machen.

So spielt "Wings of Courage" mit dem 3D-Verfahren nur in einem Bereich von einem bis sieben Meter vor der Kamera. Zwischen Nahaufnahme und Totale bewegen sich die effektvollen Bilder, Details und Totale fallen flach. Annaud verzichtete gänzlich auf nahe Gesichter, die bei solch einen Sujet überlicherweise von Leid und Strapazen gefurcht (beim Helden) oder vom Warten und Weinen feucht sind (bei seiner Liebe). Das große Bild (-Mittel) zu Übertragung von Affekten mußte den unbestimmten Effekten weichen. Technisch lassen sich hier die zwei Objektive einfach nicht nahe genug zusammenbringen, um das nötige Doppelbild zu erzeugen. Annaud meinte jedoch, niemand wolle 15 Meter hohe Nasen sehen und eine 3D-Detailaufnahme zeige einfach zu viel.

Unverändert eindrucksvoll blieben die Gebirgspanoramen - auch ohne 3D-Wirkung. (Die Schneegipfel der Anden drehte Annaud nahe beim Hersteller der Kamera in den kanadischen Rockies.) Der Wechsel von effektvollen Szenen zu gewöhnlichen Aufnahmen stört allerdings enorm, besonders wenn die Geschichte selbst packend genug ist. Hier erfordert die neue Technik sanftere Übergänge - eine Erfahrung die beim Schnitt nicht so gemacht werden konnte. Denn für "Wings of Courage" standen noch keine speziellen 3D-Schneidetische zur Verfügung, von Dailys, täglichen Proben der Aufnahmen ganz zu schweigen. Selbst einen Sucher, der beim Drehen den Raumeffekt vermittelt, wurde erst gerade von Imax entwickelt.